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Ayari ist bereit wie nie

 

Das Gefühl, das Jessin Ayari kurz vor UFC Moncton am besten kennt, ist nicht Erschöpfung, Aufregung oder freudige Erwartung. Für ihn ist es das Gefühl, allein zu sein. Auf den ersten Blick nicht die beste Gefühlslage für seinen anstehenden Comeback-Kampf. Für den 26-jährigen Nürnberger aber just das, was er brauchte.

Die letzten sechs Wochen hat Ayari in Coconut Creek, Florida verbracht und dort sein Trainingslager im renommierten American Top Team absolviert, dem Gym, das Hochkaräter wie Robbie Lawler, Amanda Nunes, Dustin Poirier oder Yoel Romero hervorgebracht hat. Im gleichen Gebäude sind die „Dorms“ untergebracht, die spartanischen Unterkünfte für Kämpfer auf Besuch.  

„Das kann man sich vorstellen wie eine Jugendherberge“, erzählt Ayari, der sich im September dort einquartiert hat. „Man hat halt so seine 15 bis 20 Zimmer, ein Gemeinschaftsbad, eine Gemeinschaftsküche.“

Hört sich nicht sehr komfortabel an.

„Also, es ist okay“, lacht er.

„Der größte Unterschied, den ich dort gemerkt habe, war an mir selbst“, so Ayari weiter. „Sechs Wochen habe ich dort gewohnt, in einem kleinen Zimmer ohne Fenster. Irgendwann fällt dir die Decke auf den Kopf, und du lernst da halt viel über dich selbst. Der Fokus ist ganz anders, auf einem ganz anderen Level.“

Das führt uns zurück zum Alleinsein.

„Ich habe da ein Fenster gehabt, da habe ich direkt ins Gym reingeschaut. Du hast jeden Tag nur mit dem zu tun. Und es gibt natürlich Tage, da ist das krass. Du bist nur allein dort, keine Leute dort, und, ich meine, das sind nicht deine engsten Freunde oder so. Dann gibt es gute Trainingstage und schlechte Trainingstage, und daher, wie gesagt: Am meisten habe ich über mich selbst gelernt. Das war eine sehr, sehr lehrreiche Zeit, aber fürs Kämpfen war es die beste Erfahrung, die ich jemals gemacht habe in einem Camp.“

Am Samstag in Moncton dürfte also ein runderneuerter Jessin Ayari ins Scheinwerferlicht treten. In Deutschland wird der Kampf bei DAZN zu sehen sein. Momentan ist ein Kampf aus dem Mai 2017 das aktuellste Material, das sich zu Ayari im Octagon finden lässt. Bei UFC Stockholm gab der Nürnberger eine einstimmige Punktentscheidung an Darren Till ab. Trotz laut Ayari zwölf Kilogramm Gewichtsunterschied lieferte er dem späteren Titelherausforderer einen soliden Kampf, auch, wenn er noch immer fest daran glaubt, dass er den größeren, schwereren Till hätte bezwingen müssen.

„Darren Till hat es geschafft, aus mir wieder einen Straßenjungen zu machen, der sich denkt, ich will kämpfen und ihn schlagen. Und da habe ich einfach gemerkt, das ist nicht das, was das Kämpfen ist. Du trainierst monatelang, jahrelang, und dann kannst du nicht einfach reingehen und meinen, du bist irgendwo und kannst einen umholzen.“

Stattdessen arbeitete Ayari in Florida mit Trainingspartnern wie Top-UFC-Leichtgewicht Dustin Poirier daran, sich in allen Bereichen auf das nächste Level zu hieven. Verbesserte Technik ist aber nicht das einzige, was ihm am Samstag einen Sieg bringen soll.

Nachdem er gegen Till verlor, entschied sich Ayari auf Anraten der UFC dazu, eine Gewichtsklasse runter ins Leichtgewicht zu wechseln. Weil ein solcher Prozess seine Zeit braucht, hat er seit der Niederlage nicht mehr gekämpft, sondern sich auf seine Ernährungsumstellung konzentriert. Eine solch lange Pause, die sich auch noch ein ganzes Stück länger ausdehnte, als er geplant hatte, ist gar nicht nach Ayaris Geschmack.

„Da hat sich von UFC-Seite aus einfach nichts ergeben. Ich wollte eigentlich schon Anfang des Jahres kämpfen, dann hieß es später Liverpool (Ende Mai), dann hieß es noch eine andere Veranstaltung, die aber auch nicht geklappt hat.“

„Dann war Hamburg, aber genau ein Wochenende später habe ich geheiratet, da habe ich dann gesagt, das geht nicht. Auf zwei Hochzeiten kann man nicht tanzen (lacht). Und dann hat sich das hier so ergeben, weil dieses Jahr ja auch kein Europa-Event mehr ist und ich jetzt schon gedrängt habe, einen Kampf zu bekommen.“

Den hat er bekommen – am Wochenende trifft er bei der UFC Fight Night 138 in Moncton, New Brunswick auf Stevie Ray. Der Schotte ist ein erfahrener Kämpfer, der in der UFC bereits Namen wie Joe Lauzon und Ross Pearson besiegt hat.

„Er ist ein erfahrener Kämpfer, hat glaube ich seine acht, neun Kämpfe in der UFC, hat auch ein paar Top-Leute geschlagen“, analysiert Ayari. „Er ist in Europa glaube ich auf Platz vier oder so gelistet. Er kann auf jeden Fall kämpfen und hat Erfahrung, aber ich bin da wirklich sehr überzeugt und selbstsicher, dass ich einen guten Kampf abliefern werde. Ich bin überzeugt, dass ich an dem Tag meine beste Leistung abrufen und ihn besiegen werde.“

Dafür ist er zum ersten Mal in seiner Karriere in Kanada unterwegs. Weit weg von Deutschland und nur mit seinem Team – unter anderem UFC-Kollege Peter Sobotta – sowie seinen Eltern um sich, will Ayari eine Niederlagenserie im Keim ersticken und im Octagon gleich wieder durchstarten.

„Klar, es sind jetzt nicht so viele Leute dabei. Aber ich war sechs Wochen in den Dorms, habe da gelebt, ich war mit mir allein. Ich kenne es im Moment eigentlich nur, allein zu sein. Für mich war es so: Ich bin auf einer Mission, das ist mein Ding, ich will einfach kämpfen und fertig.“

Ayaris Mission hat sechs Wochen gedauert, wenn nicht gar die ganzen 17 Monate, seit er zum letzten Mal im Octagon stand. An diesem Wochenende hat er 15 Minuten, um sie zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen.