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Sobotta sagt Knockout gegen Edwards voraus

 

Eine Stunde vor seinem ersten eigenen MMA-Kampf wurde Peter Sobotta Zeuge seines ersten Live-MMA-Kampfes. Sein Trainer war vor ihm dran. „Ich war 16 Jahre alt, und ich weiß noch, mein Trainer damals, der war für mich unbesiegbar“, erinnert sich Sobotta heute, wenige Wochen vor seinem Kampf am 17. März gegen Leon Edwards auf dem Hauptprogramm der UFC Fight Night in London.

„Er ist dann schwer K.o. gegangen. Erste Runde. Der wurde erst am Kinn getroffen, dann ist er runter auf alle Viere gefallen. Der andere hat ihm volle Pulle so’n Freistoßtritt direkt auf den Kopf gehauen. Und dann war halt Feierabend. Der ist erst Stunden später wieder so wirklich zu sich gekommen.“

„Ich hatte einfach nur Schiss. Ich hatte Angst, ich hatte die Hosen voll.“

Sobotta gewann seinen ersten Kampf nach Vale-Tudo-Regeln. 60 Sekunden brauchte er, um seinen Gegner im Armbar abklopfen zu lassen. 0:33 Minuten, 3:15 Minuten und noch einmal 3:15 Minuten dauerten die nächsten drei Kämpfe, nach der ersten Niederlage ging es im gleichen Stil weiter. Als die UFC im Jahr 2009 zum ersten Mal nach Deutschland kam und ihn verpflichtete, war Sobotta einer der besten Kämpfer des Landes – aber nicht gut genug für die große Bühne.

Der 22-Jährige war Auszubildender zum IT-Systemkaufmann bei der Telekom, als das Octagon am Rhein Station machte. „Das war eine sehr, sehr heftige Zeit damals vor UFC 99“, erinnert sich Sobotta. „Ich bin morgens trainieren gegangen, bin dann zur Ausbildung gegangen, abends trainieren gegangen, und das dann halt von Montag bis Freitag. Samstag habe ich auch trainiert, dann den ganzen Sonntag im Bett gelegen, durchgepennt, und montags ging es genauso weiter.“

Als Sobotta gegen den englischen Veteranen Paul Taylor in die mit 12.000 Fans gefüllte Lanxess Arena einlief, hatte er gerade seine schriftliche Abschlussprüfung bestanden, eine Woche später folgte der praktische Teil. Sobotta bestand mit Einser-Schnitt.
 
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Generell entspricht Peter Sobotta so ziemlich keinem Klischee, mit dem Kampfsportler landläufig bedacht werden. Behütete Familie, die Schwester studierte Katholische Religion und Germanistik auf Lehramt, der Onkel ist Pfarrer. Der junge Peter war aktiv in der Verdi-Jugend.

„Ich komme aus der schwäbischen Provinz“, lacht Sobotta. „Was hier normal ist, ist Arbeiten gehen, Haus kaufen, Auto kaufen und vielleicht einmal im Jahr All-Inclusive-Urlaub machen.“

Sobotta dagegen schlug sich an den Wochenenden in ostdeutschen Lagerhallen mit Fußball-Hooligans die Fäuste um die Ohren und war damit so erfolgreich, dass ihm erst die Mädchen nachliefen, ihn dann die Türsteher in alle lokalen Diskotheken ließen und er schließlich bei der größten MMA-Liga der Welt landete. Als er nach drei Niederlagen vor die Tür gesetzt wurde, nagte das am Selbstwertgefühl. Als in einer kleineren Liga eine kontroverse Punktniederlage dazukam, hatte er genug.

„Das war der Tiefpunkt meiner Karriere“, sagt Sobotta. „Das war das einzige Mal, dass ich gesagt habe, ich hab kein’ Bock mehr auf die Scheiße.“ Er lebte in den Tag hinein, fragte sich, wofür er all die Strapazen auf sich nahm. Aber er wusste auch, dass er mehr schaffen konnte.

Fünf Mal in Folge gewann er anschließend, allein drei Mal an einem Abend bei einer Fight Night in einem Erfurter Kasino. Keine Punktrichter, keine Runden – genau nach Sobottas Geschmack. Nach vier Minuten, zwölf Sekunden hatte Sobotta das Teilnehmerfeld des Acht-Mann-Turniers zerlegt.
 
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Dann stellte sein Körper sich ihm in den Weg. Auf einer Trainingsreise ins Brazilian Top Team in Rio de Janeiro erbrach Sobotta sich aus heiterem Himmel auf die Mattenfläche. „Ich bin dann noch eineinhalb Stunden nach dem Training mit dem Bus nach Hause gefahren und mir ging’s hundeelend.“ Sobotta flog zurück nach Deutschland, erholte sich etwas und reiste weiter nach Holland. Dort brach er vollends zusammen, wurde von seinen Trainingspartnern nach Deutschland ins Bundeswehrkrankenhaus Koblenz gefahren und dort sofort operiert.

Das Ergebnis: Ein extrem seltener Keim hatte sich in Sobottas Bauchbereich eingenistet. Weil Sobotta durch das Training geschwächt war und weitermachte, konnte das Bakterium seine ganze zerstörerische Kraft entfalten. Nach einem Monat wurde Sobotta entlassen, die Notiz der Ärzte, die Krankheit könne jederzeit wiederkommen, machte ihm klar: „In diesem Moment war meine Karriere für mich gelaufen.“

Er kam trotzdem zurück. Nach monatelanger Reha fühlte Sobotta sich wieder fit. Wenige Monate vor dem ersten UFC-Event in Berlin, im Sommer 2014, meldete sich die Liga, man wollte ihn zurückhaben. Vier von fünf Kämpfen hat er seitdem gewonnen.

„Ich habe mich so extrem verbessert in allen Bereichen“, erklärt Sobotta seinen hart erarbeiteten Erfolg. „Körperlich, technisch, auch mental. Ich wiege zehn Kilo mehr als damals und kämpfe in der gleichen Gewichtsklasse.“

Das hat zuletzt Ben Saunders zu spüren bekommen. Der Veteran ziert seit der UFC Fight Night in Stockholm im vergangenen Mai Sobottas Highlight-Videos, als dieser ihn mit furiosen Schlägen und einem präzisen Kniestoß spektakulär ausknockte. Ein ähnliches Ergebnis, plus den Einzug in die Top 15, strebt Sobotta am 17. März an, wenn er in London auf den Briten Leon Edwards trifft.
 
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„Edwards ist ein guter Kämpfer, er steht zurecht weit oben in der Rangliste“, befindet Sobotta. „Er hat eine gute Siegesserie in der UFC abgeliefert. Seine größte Stärke ist, dass er es schafft, die Kämpfe zu gewinnen.“

„Rocky“ fuhr zuletzt einen überzeugenden Sieg nach dem anderen ein. Neben Erfolgen gegen Kämpfer wie Albert Tumenov, Vicente Luque und Bryan Barberena sticht für viele UFC-Fans noch immer Edwards’ drei Jahre alter Acht-Sekunden-Knockout gegen Seth Baczynski heraus. Sobotta lässt sich davon nicht beeindrucken.

„Ich finde, und ich habe ihn sehr genau analysiert, dass er kein K.o.-Schläger ist und auch niemand, der am Boden eine wirkliche Gefahr darstellt. Er schafft es aber trotzdem, die Kämpfe zu gewinnen. Was heißt, er kämpft taktisch schlau, er hat einen hohen Kampf-IQ und er weiß, wie man die Fights gewinnt.“

Das weiß Sobotta auch, und es gelingt ihm mittlerweile, dieses Wissen auf hohem Niveau einzusetzen.

„Vor meinem geistigen Auge – und das hat nicht immer gestimmt, aber häufig – sehe ich ihn fallen. Ich mache viele Visualisierungstechniken und ich sehe, dass ich ihn treffe und er umfällt. Also, ich tippe auf K.o. in der ersten oder zweiten Runde.“

Im Februar 2009 war Sobotta schon einmal als Tourist in London, um in der O2 Arena UFC 95 zu sehen. Neun Jahre später könnte er am gleichen Ort in die Top 15 seiner Gewichtsklasse einziehen. Damit hätte vor vier Jahren im Koblenzer Krankenbett nicht einmal er selbst gerechnet. Von seinem ersten Kampf in einer Leipziger Lagerhalle ganz zu schweigen.