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Thompson kämpft gegen einen Freund

 

Anderson Silva gegen Chris Leben. Jon Jones gegen Stephan Bonnar. Georges St-Pierre gegen Karo Parisyan: Alles Kämpfe mit unterschiedlichen Auswirkungen auf die jeweiligen Gewichtsklassen, aber in jedem Fall bewies der Sieger, dass er etwas Besonderes ist.

Stephen Thompson hat diesen Kampf womöglich schon hinter sich, denn sein TKO-Sieg im Februar über den ehemaligen Weltmeister im Weltergewicht, Johny Hendricks, war absolut beeindruckend. Selbst wenn er am 18. Juni im Hauptkampf der „UFC Fight Night“ in Ottawa, Kanada gegen Rory MacDonald gewinnt und sich einen Titelkampf verdient, könnte sein Sieg über Hendricks eines Tages als der Moment gelten, in dem Thompson von einem „guten“ zu einem „großartigen“ Kämpfer wurde.

Thompson hält sich allerdings noch nicht für so weit.

„Ich glaube, dazu fehlt mir noch etwas“, sagt er. „Ich weiß, dass ich besser sein kann, ich weiß, dass ich mich im Ringen, Jiu-Jitsu und selbst im Standkampf noch weiterentwickeln kann. Um wirklich großartig zu sein, muss ich diesen Gürtel gewinnen. Damit würde ein Traum wahr werden. Ich weiß, dass ich mich noch verbessern kann, ich werde damit nicht aufhören. Ich will gegen die Besten antreten und am 18. Juni trete ich gegen einen der Besten an. Er steht schon sehr lange an der Spitze.“

Rory MacDonald, die Nummer 1 der offiziellen Rangliste im Weltergewicht, ist nicht nur ein Gegner. Er ist auch ein Freund. Für manche Kämpfer wäre das ein Problem – nicht aber für Thompson und MacDonald.

„Man macht das doch in jedem Sparring, dass man seinen Freunden auf die Mütze haut“, sagt Thompson. „Manchmal kann es etwas ausarten und die Emotionen können hochkochen. Ich kämpfe praktisch jeden Tag gegen meine Freunde und am Samstag kämpfe ich gegen meinen Freund Rory – nur werden wir kleinere Handschuhe tragen und deutlich härter zuschlagen.“

Thompson lacht, denn er weiß, wie sich solche Kommentare für Außenstehende anhören müssen. Aber solange er und MacDonald wissen, wie es gemeint ist, spielt das keine Rolle. Es ist ein Kampf – sie werden sich bis zu 25 Minuten lang bekriegen, und wenn sich der Staub gelegt hat, ist alles wieder wie zuvor.

„Schwamm drüber, heißt es anschließend, als wäre nichts gewesen“, sagt Thompson. „Mal angenommen, er besiegt mich – dann ist er immer noch mein Freund. Vielleicht werden wir danach zusammen trainieren. Wir wissen, wie das Geschäft läuft. Dieser Kampf wird uns beide zu einem bessere Kämpfer machen. Einer von uns wird um die Weltmeisterschaft antreten, und wenn ich es nicht bin, dann gibt es doch keinen Besseren dafür als Rory.“

Wenn der 33 Jahre alte Karateka aus Simpsonville, South Carolina nicht die netteste Person im MMA-Sport ist, dann gehört er doch mindestens in die Top 5. Am Kampfabend hat er jedoch keine Probleme damit, seine Gegner zu einem Teil seines Highlightvideos zu machen. Das ist die faszinierende Gegensätzlichkeit dieses Sports.

Interessant ist auch, herauszufinden, was einem Kämpfer durch den Kopf geht, wenn er einer kräftezehrenden Schlacht zusieht, wie sie sich MacDonald und der Weltergewichtsweltmeister Robbie Lawler im vergangenen Juli lieferten. „Als ich den Kampf sah, dachte ich nur: ‚Mann, ich würde jetzt nicht an Rorys Stelle sein wollen‘“, sagt Thompson mit einem Lachen. „Die haben sich echt heftig eingeschenkt. Rory hatte eine gebrochene Nase, Lawler eine riesige Schnittwunde. Aber manche Kämpfe verlaufen eben so.“

Thompson weiß alles darüber. Sicher ist es schön, verheerende Knockouts zu erzielen, wie die gegen Hendricks, Jake Ellenberger, Robert Whittaker und Dan Stittgen. „Ich habe nichts dagegen, dass jeder Kampf so verläuft“, sagt Thompson, doch seine einzige Niederlage – 2012 gegen Matt Brown – ist es, die ihm geholfen hat, ihn zu dem Kämpfer zu machen, der er heute ist.

„Als ich gegen Brown kämpfte, lernte ich viel über mich selbst“, sagt Thompson. „Die meisten Menschen hätten aufgegeben, wenn sie solche Schläge kassiert hätten. Ich weigerte mich. Ich hätte seine Faust mit meinem Gesicht gebrochen, wenn es notwendig gewesen wäre. Diese Einstellung braucht man manchmal. Man muss sich immer auf eine Schlacht vorbereiten. Nach der ersten Runde war ich am Ende, ich hatte keine Energie mehr. Ich sagte mir trotzdem: ‚Er wird mich nicht KO schlagen und er wird mich nicht zur Aufgabe zwingen, aber ich werde ihm die nächsten zwei Runden das Leben zur Hölle machen!‘“

Die Nummer 2 im Weltergewicht hat seitdem nicht verloren. Sechs Kämpfe in Folge gewann Thompson zuletzt, aber er weiß, dass er mehr als alles geben muss, um MacDonald zu schlagen. Und damit hat er kein Problem.

„Rory ist sehr vielseitig, aber vor allem besitzt er ein riesiges Kämpferherz und einen Eisenschädel“, sagt Thompson. „Dasselbe dachte ich auch vor dem Kampf gegen Hendricks, ich dachte, dass es sehr schwer sein würde, ihn vorzeitig zu besiegen. Man muss sich mental darauf einstellen, dass der Gegner die ganze Zeit über angreift, selbst wenn er einige Treffer kassiert hat. So etwas kann einen Kämpfer verunsichern. Wenn ich meine Schläge ins Ziel bringe und Rory davon nicht umfällt, dann kämpfe ich gerne fünf Runden mit ihm. Er wird meine besten Angriffe einstecken und mich trotzdem pausenlos attackieren, aber ich weiß ganz genau: Wenn ich ihn treffe, dann richte ich großen Schaden an.“